Enterprise-Architektur: «Dritte Kraft» und Enabler der Digitalisierung

23.09.2025 – Michael Schröder

insightsPageview({ aktuelles_topic: 'Enterprise-Architektur: «Dritte Kraft» und Enabler der Digitalisierung', aktuelles_category: 'fachartikel', aktuelles_date: '23.09.2025' })

Fachbeitrag für die Computerworld vom 19. September 2025

Enterprise-Architektur (EA) als Disziplin existiert schon lange, ist aber häufig noch nicht richtig etabliert. Richtig positioniert als «dritte Kraft» neben Business und IT hat sie das Potenzial zur Treiberin der Digitalisierung.

Die Digitalisierung schreitet in allen Bereichen forciert voran: extern gegenüber Kunden, intern für die Optimierung von Geschäftsprozessen bis hin zum Einsatz neuer Technologien (zuletzt generative KI). Neben all den Möglichkeiten und Chancen führt dies dazu, dass Vorhaben immer umfangreicher, vernetzter und übergreifender werden. Projekte werden komplexer und die Gesamtübersicht geht verloren. Die Folge ist, dass strategische Projekte immer langsameren Fortschritt verzeichnen oder sogar spektakulär scheitern und übergeordnete Digitalisierungsziele kaum erreicht werden.

EA – vielversprechend, aber auch anspruchsvoll

Mit dem Management der Enterprise-Architektur steht prinzipiell ein Gegenmittel gegen diese kontinuierlich steigenden Komplexitäten und Abhängigkeiten zur Verfügung. EA betrachtet Organisationen ganzheitlich auf den Ebenen Business, Applikationen, Daten sowie Technologie. Sie verspricht, eine Gesamtsicht zu schaffen, die Komplexität in den Griff zu bekommen und so die Digitalisierung wirksam zu beschleunigen.

Doch EA hat es bei vielen Organisationen schwer. Gründe sind:

  • EA ist vielschichtig: Dies macht EA kompliziert und aufwändig zu erklären.
  • EA ist langfristig ausgerichtet: Das heisst kurzfristiger Aufwand, jedoch Wirkung und Nutzen erst langfristig.
  • EA erfordert Denken und Gestalten auf vielen Ebenen: Dies kommt bei schnellem, agilem Vorgehen häufig zu kurz.
  • EA ist auf langfristige Transformation ausgerichtet: Kurzfristige Initiativen können durch EA potenziell aufwändiger und langsamer werden.
  • EA bedingt klare Governance: Steuerung und Architekturvorgaben können als Einschränkung der Freiheit und als unnötige Bürokratie wahrgenommen werden.

Um diese Punkte zu adressieren, stellt dieser Artikel drei klare und einfach praktisch umsetzbare Erfolgsfaktoren vor.

Erfolgsfaktor 1: EA als «dritte Kraft»

Positionierung der EA als «dritte Kraft» im Kontext des «Wofür IT?» und «Wie IT?»

Trotz dem aktuellen Vokabular von Digitalisierung bzw. Digitaler Transformation geht es in der Essenz doch immer noch um den Einsatz von IT. Der in der Grafik abgebildete Orientierungsrahmen differenziert verschiedene Aspekte davon und positioniert EA als «dritte Kraft».

In diesem Modell gibt es eine klare Aufteilung der Verantwortlichkeiten:

  • Das «Wofür IT?» ist traditionell dezentral in der Hand des Fachs: Wie sind die Geschäftsprozesse in digitalen Zeiten auszugestalten? Sollen sie nur automatisiert oder fundamental transformiert werden? Was sind die  Fachanforderungen an neue IT-Systeme?
  • Das «Wie IT?» ist traditionell zentral abgestimmt und gemanagt: Welche Plattformen und Infrastrukturen sollen eingesetzt werden? Wie kann langfristig Effizienz und Sicherheit erreicht werden? Wie können Synergien genutzt werden? Soll inhouse betrieben oder die Chancen der Cloud genutzt werden?
  • Als «dritte Kraft» ergänzt die EA einen Rahmen um das «Wofür» und «Wie» und fördert so das langfristige, übergreifende Alignment. Neben der Definition und Ausrichtung auf ein gemeinsames Zielbild stellt diese  Mechanik auch sicher, dass es weder Anarchie seitens Fach noch Diktatur seitens IT gibt.

Dieses Modell kann von Organisationen ganz praktisch durch die Benennung eines «EA-Boards» mit EA-Entscheidungskompetenzen (gegebenenfalls eines bestehenden Gremiums) sowie durch die Schaffung der neuen Rolle «Lead EA», die die EA gesamthaft koordiniert und vorantreibt, umgesetzt werden.

Erfolgsfaktor 2: Architekturrollen richtig besetzen

Häufig wird die EA-Rolle als Erweiterung einer bestehenden IT-Rolle umgesetzt. Dies wird jedoch den Aufgaben nicht gerecht und verletzt den Grundsatz von EA als «dritter Kraft». Aus den spezifischen Aufgaben ergeben sich die in der Tabelle aufgeführten spezifischen Ausgestaltungen. Eine entsprechende Besetzung und angemessene organisatorische Verankerung verhelfen dem Konzept von EA als «dritter Kraft» zum Durchbruch.

Architekturrollen und ihre spezifischen Ausgestaltungen

Rolle Enterprise-Architekt Business-Architekt IT-Architekt
Schwerpunkt Grundlegende Abstimmung von «Wofür» und «Wie» Ausgestaltung des «Wofür» (in Abstimmung mit «Wie») Ausgestaltung des «Wie» (in Abstimmung mit «Wofür»)
Wirkungsfeld Strategische Steuerung, Orchestrierung Geschäftsmodell, Prozesse Technische Realisierung, Systemintegration
Schlüsselkompetenzen Stakeholdermanagement, Verhandlungsgeschick, Kommunikation Transferfähigkeit (Business <> IT), Geschäfts- und Prozessmodellierung Lösungs- und Systemarchitekturen, technische Kommunikation

Erfolgsfaktor 3: Visualisierungen, aber einfach

Die Aufgaben der EA sind in der Regel komplexe Sachverhalte, die durch zahlreiche Stakeholder aus verschiedenen Perspektiven zu beurteilen sind. Entsprechend sind eine nicht zu technische Sprache und eine recht hohe Flughöhe zentral, wenn es um die Darlegung von Abhängigkeiten, Strukturen und Empfehlungen geht.

Es hat sich in der Praxis sehr bewährt, all dies mittels einfacher und gut verständlicher Abbildungen zu visualisieren, und zwar auf wenig komplexe Art und Weise, die gut einen Gesamtüberblick vermitteln. Leicht verständliche Visualisierung können zum Beispiel eine einfach erfassbare Bebauung sein oder die Darstellung von Abhängigkeiten und Zusammenhängen in Form von Kontextdiagrammen.

Zum Start einer EA-Einführung reichen für diese Visualisierungen bestehende Office-Tools. Später ist die Einführung eines geeigneten EA-Tools zu überlegen.

Dr. Michael Schröder, Head of Consulting, Ergon

«Mit der Rolle als «dritte Kraft» sorgt die EA für langfristiges Alignment von Business und IT sowie dafür, dass es weder Anarchie seitens Fach noch Diktatur seitens IT gibt.»

Dr. Michael Schröder Head of Consulting, Ergon

Fazit: EA ist zu 50% Kommunikation

EA ist keine triviale Disziplin. Mit den vorgestellten Erfolgsfaktoren kann EA als Ansatz sehr gut kommuniziert und die Ausgestaltung sehr zielgerichtet vorgenommen werden. Der rote Faden und übergeordnete Erfolgsfaktor ist dabei die Kommunikation mit und unter den Stakeholdern. Entsprechend sind Kommunikations-Skills neben analytischen und methodischen Fähigkeiten die zentralen Anforderungen an Enterprise-Architekten.